Karl Wilhelm Otto Lilienthal (1848 – 1896) war einer der bedeutendsten deutschen Luftfahrtpioniere. Seine grundlegenden Untersuchungen und Messungen an Modellflügeln sowie seine erfolgreichen Flugversuche von 1891 bis 1896 führten ein Jahrzehnt später zur Verwirklichung des Motorflugs durch die Gebrüder Wright.

Otto Lilienthal wuchs in Anklam auf und besuchte das dortige Gymnasium. Unterrichtet wurde er unter anderem vom Astronom Gustav Spörer. Bereits in diesen jungen Jahren führte Lilienthal zusammen mit seinem Bruder Gustav intensive Flugforschungen durch. Er betrieb Vogelstudien, testete Modellflieger und bewies in langwierigen Versuchsreihen die besonderen Flugeigenschaften gewölbter Tragflächen. Trotz zahlreicher Rückschläge ließ sich Lilienthal nicht von seinem Traum vom Fliegen abbringen. Jeder Fehlversuch brachte neue Erkenntnisse, die Lilienthal in seinem legendären Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ festhielt. Dieses Buch gilt heute als wichtigste flugtechnische Veröffentlichung des 19. Jahrhunderts. Otto Lilienthal wurde bei seinen Versuchen von der Vision geleitet, dass die Fliegerei durch die Bedeutungslosigkeit von Grenzen weltweiten Frieden mit sich bringen würde.

Für seine Flugversuche nutzte Lilienthal Gleiter aus Holzrahmen, die mit gewachstem Baumwollstoff bespannt waren und eine Spannweite von bis zu 10 Metern hatten. Dabei ging Lilienthal schrittweise vor: von Stehübungen gegen den Wind, über Sprünge vom Sprungbrett im Garten seines Hauses bis zu Gleitflügen. Später nutzt er verschiedene Erhebungen in Krielow, Derwitz, den Rauhen Bergen, Berlin-Steglitz und Stölln als Übungsgelände. Dort gelangen ihm Flugweiten bis 250 m. 1894 ließ Lilienthal in Lichterfelde den 15 m hohen Fliegeberg aufschütten, von dem er mehr als 1.000 Flüge absolvierte.

Zur Durchführung seiner Flugversuche baute Lilienthal mehr als 20 Flugapparate, von denen eines, der sogenannte Normalsegelapparat, 1894 in seiner Berliner Maschinenfabrik in die Serienproduktion ging. Dies stellte die erste Serienfertigung eines Flugzeugs weltweit dar.

Am 9. August 1896 stürzte Lilienthal bei einem Flugversuch nahe Stölln aus 15 Meter Höhe ab und erlag einen Tag später in der Berliner Universitätsklinik seinen Verletzungen.

Wilbur Wright: Aero Club of America Bulletin: “Von allen, die das Problem des Fliegens im 19. Jahrhundert behandelten, war Otto Lilienthal zweifelsfrei der Bedeutendste. […] Niemand tat so viel dafür, das Problem des menschlichen Fluges in die freie Luft zu überführen, wohin es gehört. […] Als Forscher war er unter seinen Zeitgenossen ohne Konkurrenten. Er entschlüsselte die Vorteile der gewölbten Fläche so überzeugend, dass er als ihr eigentlicher Entdecker gelten kann. Andere haben die Wölbung des Vogelfluges bemerkt und über die Möglichkeit spekuliert, dass ein gewölbter Flügel einem völlig glatten überlegen sei. Lilienthal demonstrierte den Grund für diese Überlegenheit und machte aus der puren Spekulation akzeptiertes Wissen. […] Aber, wo immer seine Grenzen lagen, er war ohne Zweifel der Größte der Vorläufer, und die Welt steht tief in seiner Schuld.“